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Stolpersetin

Fünf Stolpersteine wider das Vergessen in Holzwickede verlegt

Der Kölner Künstler Gunther Demnig bei der Verlegung des ersten Stolpersteins vor dem Haus Nordstraße 19, der letzten Wohnadresse des NS-Opfers Friedrich Ellerkmann. (Foto: P. Gräber - Emscherblog.de)
Der Kölner Künstler Gunther Demnig bei der Verlegung des ersten Stolpersteins vor dem Haus Nordstraße 19, der letzten Wohnadresse des NS-Opfers Friedrich Ellerkmann. (Foto: P. Gräber – Emscherblog.de)

Der Kölner Künstler Gunter Demnig hat heute (6. März) fünf Stolpersteine in der Gemeinde Holzwickede verlegt. Jeder einzelne dieser Stolpersteine soll einem geschundenen und vergessenen NS-Opfer aus dieser Gemeinde seine Identität und damit seine Würde wiedergeben.

Nach der zentralen Gedankveranstaltung am Sonntag im Foyer des CSG fand die Verlegung der Stolpersteine heute im kleinen Rahmen statt. Der erste Stein wurde um 12.30 Uhr an der Nordstraße 19 vom Künstler verlegt und erinnert an Friedrich Ellerkmann, der unter dieser Adresse vor seiner Deportation und Ermordung durch die Nazis zuletzt gewohnt hat.  An der Verlegung nahmen neben einigen Bürgern und den Mitgliedern VHS-Gruppe „Spurensuche“ auch Bürgermeisterin Ulrike Drossel und die Spitzen der Verwaltung teil. Von der Aydaco-Gruppe des CSG nahmen Anna Rahimi, Cara Schneuer, Philine Bernsdorf, Wilhelm Althaus, Florian Brecker und Max Born an der Veranstaltung teil. Die Jugendlichen trugen während der Steinverlegung Lieder zur Gitarre und jeweils einen Text zum Schicksal der Opfer vor.  Anschließend legten sie Blumen am Gedenkstein nieder.

In dieser Form wurden anschließend auch die übrigen vier Stolpersteine an den letzten bekannten Wohnandressen der Holzwickeder NS-Opfer verlegt.

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Erinnerung an fünf konkrete Schicksale

Neun behinderte Holzwickeder sind nach dem aktuellen Kenntnisstand der Gruppe „Spurensuche“ Opfer des Euthanasieprogramms der Nazis geworden. Die Recherchen der Gruppe sind allerdings auch noch nicht abgeschlossen. Deshalb wurden zunächst nur fünf Stolpersteine verlegt. Diese fünf Stolpersteine erinnern an:

  • Ellerkmann, Nordstr. 19, geboren am 17.01.1909 …

mit dem Handicap einer leichten Intelligenzminderung, besuchte zunächst die Volksschule. Die genauen Umstän­de, warum der Junge nach der Schulentlassung in den Wittekindshof Bad Oeynhausen kam, sind nicht belegt. Bis zu seinem 28. Lebensjahr wird er dort in den diversen Werkstätten gearbeitet haben. Am 01.04.1937 wurde er in die Provinzialheilanstalt Warstein verlegt, da Sparmaß­nahmen des Provinzialverbandes die kirchlichen Träger dazu zwangen, ihren Patientenbestand stark zu reduzie­ren, um den in den Provinzialanstalten zu erhöhen. Spä­testens 1941 wird die Anstalt Warstein für den Holzwi­ckeder einen Meldebogen für die Berliner Euthanasiebe­hörde ausgefüllt haben, womit sein Schicksal besiegelt war. Am 26.07.1943 wurde Friedrich Ellerkmann in die hessische Anstalt Weilmünster verlegt, wo er unter un­menschlichen Bedingungen noch neun Monate lebte. Am 30.04.1944 verstarb er in dieser Hölle. Die in seiner Ster­beurkunde angegebene Todesursache „Lungenentzün­dung“ verschleiert, dass diese sehr wahrscheinlich auf permanenten Nahrungsentzug bei vorsätzlicher Behand­lungsverweigerung zurückzuführen war. Sehr wahr­scheinlich ist, dass der Sterbeprozess durch eine Medi­kamentenüberdosis beschleunigt wurde.

  • Ludwig Himpe, Hauptstr. 8, geboren am 16.10.1898, …

mit einer Intelligenzminderung, wurde nach der Einschu­lung in der Aloysiusschule „mitgezogen“, war aber kaum in der Lage, ausreichende Leistungen zu erzielen. Schnell wurde er Vollwaise. Seine Stiefmutter war mit dem reni­tenten und aggressiven Jungen überfordert und wandte sich an den „Armenarzt“, der die Anstaltseinweisung an­ordnete. Im St. Johannesstift Niedermarsberg besuchte er die Anstaltsschule, wo er durchaus Fortschritte machte, ausgeglichener wirkte und den Willen zeigte zu lernen. 1913 wurde der Jugendliche in das St. Josefsheim Burg­waldniel (bei Mönchengladbach) verlegt, eine Anstalt des Franziskaner-Ordens. Nach der durch die Nazis erzwun­genen Schließung des Heims wurde Ludwig Himpe, in­zwischen 38 Jahre alt, in die Heilanstalt Warstein verlegt, wo er als „lebensunwert“ abgestempelt und in die hessi­sche Anstalt Weilmünster weiterverlegt wurde. Dort leb­te er unter extremer Mangelernährung noch 3 1/2 Monate. Sein systematisch am 12.11.1943 herbeigeführter Tod trat vermutlich nach einer Giftdosis ein.

  • Karl Klönne, Sölder Str. 31, geboren am 28.09.1922, …

kam gesund auf die Welt, erkrankte aber im Alter von zwei Jahren an einer Gehirnentzündung, wahrscheinlich infolge einer damals grassierenden Epidemie. Von nun an litt er an starker Unruhe und konnte dem Schulunterricht kaum folgen. Als er elf Jahre alt war, stellten ihn die Eltern erstmals der psychiatrischen Außenfürsorge beim Ge­sundheitsamt Unna vor, 1935 wurde er „in An­staltserziehung“ übernommen. Im St. Johannesstift Nie­dermarsberg zeigte er durchaus „befriedigende bis ziem­lich gute“ Schulleistungen bei einer durchschnittlichen In­telligenz. Nachdem er – als 15-Jähriger – zwangssterili­siert werden sollte, schritt sein Vater ein und erhob Wi­derspruch mit der Begründung, sein Sohn sei nicht erb­krank. Darauf lud das Erbgesundheitsgericht Karl Klönne selbst vor und stellte das Verfahren ein. 1939 verlegte man Karl Klönne dennoch in die Provinzialheilanstalt Warstein, wo er in die Mühlen der „Euthanasieaktion“ ge­riet. Am 24.07.1941 traf er in der hessischen Anstalt Eichberg in Eltville ein; dort verstarb er am 31.01.1942 im Alter von 19 Jahren nach einer monatelangen Tortur, die von Mangelernährung, desolaten Hygieneverhältnis­sen und Verwahrlosung geprägt war. Sein Tod wurde be­wusst herbeigeführt.

  • Wilhelm Lohöfer, Landskroner Str. 23, geboren am 17.04.1910, …

begann nach der Schulentlassung eine Ausbildung als Former, anschließend arbeitete er als Bergmann auf der Zeche „Minister Achenbach“ in Lünen-Brambauer. Etwa seit dem 15. Lebensjahr traten gelegentliche Anfälle auf. Dies allein war bereits 1936 für die Staatsmacht Grund genug, den Antrag auf Sterilisierung zu stellen, die vom Erbgesundheitsgericht angeordnet und im Städt. Kran­kenhaus Hamm durchgeführt wurde. Noch im gleichen Jahr wurde er zwangsweise in die Provinzialheilanstalt Warstein eingeliefert. Da die Mutter an der gleichen Er­krankung litt, wurde er 1940 als „erbkrank“ abgestempelt und an die Berliner Euthanasiebehörde gemeldet. Das war sein Todesurteil. Am 14.07.1941 wurde Wilhelm Lohöfer in einem Sammeltransport in die hessische Anstalt Weil­münster verlegt, von wo er am 21.08.1941 in die Tötungs­anstalt Hadamar gebracht wurde. Nach seiner Ankunft wurde er sofort in der Gaskammer ermordet.

  • Josef Kaup, Landweg 57, geboren am 18.12.1915, …

verlebte eine völlig unauffällige Kindheit. Erste Anzeichen einer psychischen Erkrankung machten sich erst nach seiner Schulentlassung während seiner Ausbildung als Anstreicher bemerkbar. Nach Einschaltung eines Nerven­arztes kam er 1933 in die Provinzialheilanstalt Marsberg, wo er acht Jahre verblieb. Infolge einer „erbbiologischen Erfassung“ wurde ein Verfahren vor dem Erbgesund­heitsgericht Dortmund auf Unfruchtbarmachung eröffnet; wahrscheinlich ist, dass Josef Kaup als „Erbkranker“ zwangssterilisiert wurde. Spätestens 1941 wurde er in einer reichsweit laufenden Aktion vom Anstaltsdirektor an die „Euthanasiebehörde“ in Berlin gemeldet und dort als „lebensunwert“ abgestempelt. Am 29.06.1941 wurde er in einem Sammeltransport von Marsberg in die hessi­sche Anstalt Weilmünster verlegt, die als Zwischenanstalt fungierte. Am 31.07.1941 fuhr ein grauer Bus mit ver­hängten und überstrichenen Fenstern im Anstaltsgelände vor. Alle für die Verlegung ausgewählten Patienten, da­runter Josef Kaup, hatten vorher mit Tintenstift ihren Namen auf den nackten Rücken geschrieben bekommen, um die spätere Identifikation zu erleichtern. Nach dem Einstieg ging die Fahrt ins nicht weit entfernte Hadamar. Es gibt keinen Zweifel, dass er dort am gleichen Tag in der Gaskammer der Heilanstalt ermordet wurde. Josef Kaup durfte nur 25 Jahre leben.
(Autor: Ulrich Reitinger)

INFO: Stolpersteine bilden ein dezentrales Kunstdenkmal, gekennzeichnet durch die besonderen Merkmale: individuelles Gedenken, Einzelanfertigung, Verlegung am Lebensort des NS-Opfers, symbolische Zusammenführung zerrissener Familien, Verlegung im öffentlichen Raum, Finanzierung aus privaten Mitteln. Auch in Schwerte, Fröndenberg, Iserlohn, Holzwickedes Partnerstadt Colditz sowie in Dortmund wurden schon Stolpersteine verlegt sowie in insgesamt über 1 000 weiteren Orten Deutschlands und 20 Ländern Europas. Jeder Stolperstein kostet etwa 120 Euro, plus Fahrt- und Unterbringungskosten des Künstlers. Mehr Informationen zu den Stolpersteinen auch unter www.stolpersteine.eu

Stolpersteine


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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