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„Friedensengel“ schlug im „Pütt“ mit Bierglas zu: Sechs Monate Haft zur Bewährung

Auf der Anklagebank machte der 54-jährige Holzwickeder heute (12. März) im Amtsgericht Unna den Eindruck, als ob er kein Wässerchen trüben könnte. Und selbst sein Opfer bescheinigte dem Angeklagten im Zeugenstand, dass er ihn „eigentlich als ganz ruhigen und friedfertigen Menschen“ kenne. Umso überraschter sei er deshalb gewesen, als ihm der „Friedensengel“ (so der Verteidiger) am 2. November 2014 morgens um 1 Uhr in der Gaststätte „Zum Pütt“ an der Hauptstraße ein volles Bierglas ins Gesicht schlug. Wegen gefährlicher Körperverletzung stand der 54-Jährige deshalb heute vor dem Amtsgericht.

Wortkarg, aber immerhin geständig, schilderte der Angeklagte dort, woran er sich noch wegen seines Alkoholpegels erinnern kann: „Ich hatte etwas getrunken und bereits ein Taxi bestellt, weil ich nach Hause wollte.“ Doch sein 28-jähriger Kontrahent habe ihn „dauernd zugetextet“, so der Angeklagte. „Womit, weiß ich gar nicht mehr“.  Doch er habe sich genervt gefühlt und nach Hause gewollt.

Meine Kanzlei ist ja direkt gegenüber. Und ich kann ihnen sagen, wer bis um 1 Uhr nachts im Pütt ist, kommt da gezeichnet  raus. Das ist eben eine typische Bierkneipe“

Heinz Schmitz, der Verteidiger des Angeklagten

Dass sein Bierglas schließlich im Gesicht des 28-jährigen Holzwickeders landete, gab der Angeklagte zu. Eigentlich habe sein Mandant  aber „nur sein Bier ins Gesicht des 28-Jährigen schütten und gar nicht hauen wollen“,  erläuterte der Verteidiger des Angeklagten. „Eine typische Situation in der Kneipe, wenn man blau ist“, glaubt der Anwalt.  Unglücklicherweise habe sein Mandant aber „irgendwie das Gesicht seines Gegners mit dem Glas getroffen“. Es waren wohl alle Beteiligten ziemlich betrunken, was der Verteidiger mit Insiderwissen zu untermauern wusste: „Meine Kanzlei ist ja direkt gegenüber. Und ich kann ihnen sagen, wer bis um 1 Uhr nachts im Pütt ist, kommt da gezeichnet  raus. Das ist eben eine typische Bierkneipe“, klärte er das Gericht auf.

Angeklagter trug mehr Blessuren davon als sein Opfer

Nachdem das Glas mit einem lauten Knall im Gesicht des 28-Jährigen gelandet war, entwickelte sich prompt eine Schlägerei. Dabei erlitt der ältere Angeklagte erheblich mehr Blessuren,  als sein jüngerer Gegner. Der Angeklagte erlitt eine Fraktur der Augenhöhle, Prellungen an Rippen und Oberschenkel von den Schlägen und Tritten seines Gegners. Der wiederum trug eine Prellung am Jochbein von dem Bierglas davon sowie zwei gebrochenen Finger. Getrennt wurden die beiden Kampfhähne von einem 56 Jahre alten weiteren Gast. Dieser sagte als Zeuge heute aus, dass die beiden vor dem Schlag mit dem Bierglas längere Zeit lautstark gestritten hätten.

Davon wollte das Opfer allerdings nichts wissen. Gleich nach der Schlägerei hatte der 26-Jährige bei der Polizei ausgesagt, dass er „kein einziges Wort“ mit Angeklagten gewechselt hatte, bevor dieser ihn ohne ersichtlichen Grund mit dem Bierglas schlug. Auch als Zeuge blieb der Holzwickeder heute dabei: Er habe seinen Deckel bezahlen wollen und sei deshalb kurz nach draußen zur Sparkasse gegangen, um Geld abzuholen. Als er dann wieder in die Kneipe gekommen sei, habe der Angeklagte ihn aus heiterem Himmel mit dem Glas geschlagen. Miteinander geredet habe man vorher kaum.

Verteidigung plädierte auf Freispruch

Als dritter Zeuge wurde ein Taxifahrer vernommen, der in der Tatnacht den Angeklagten nach Hause fahren sollte. Auch dieser Zeuge bestätigte den Schlag mit dem Bierglas. Danach sei der Angeklagte gestolpert und auf dem Boden gelandet. Von der weiteren Schlägerei will er nichts mehr mitbekommen haben, weil er sich anderen Gästen zugewandt habe.

Für die Anklagevertreterin war der Sachverhalt nach diesen Zeugenaussagen klar: Sie beantragte sechs Monate Haft zur Bewährung ausgesetzt. Zumal sich der Angeklagte elf Eintragungen ins Strafregister geleistet hat, wenn auch keine einschlägigen Vorstrafen. Zugunsten des Angeklagten wertete die Staatsanwältin sein Geständnis.

Der Verteidiger plädierte dagegen auf Freispruch. Er hielt lediglich den Zeugen, der ausgesagt hatte, dass dem Schlag mit dem Bierglas ein Streit vorangegangen sei, für glaubwürdig und neutral. Das Opfer und der andere Zeugen seien gute Bekannte. Der Zeuge habe nur ausgesagt, was seinen bekannten nicht belastet habe. Das Opfer selbst habe „klipp und klar gelogen“, was den Streit vorher angehe, und sei deshalb völlig unglaubwürdig.  Es sei deshalb nicht auszuschließen, dass sich sein Mandant angegriffen gefühlt und nur gewehrt habe.

Amtsrichterin Malcherek folgte jedoch dem Antrag der Angklagevertreterin und verurteilte den 54-jährigen Holzwickeder wegen gefährlicher Körperverletzung zur Mindeststrafe von sechs Monaten, auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Die Zeugen hätten keinerlei Belastungstendenzen gezeigt und den Sachverhalt lebensnah geschildert. „Für mich sind die Zeugen glaubwürdig.“  Offenbar habe sich das Opfer beim Bezahlen vordrängeln wollen, was den Angeklagten wütend gemacht habe. Doch an der rechtlichen Einschätzung des Sachverhaltes ändere der Streit nichts. Wenn jemand einem anderen ein Bierglas ins Gesicht schlage, müsse er sich bewusst sein, dass dies schlimme Folgen habe könne. Zugunsten des Angeklagten berücksichtigte das Gericht, dass er durch den Alkoholgenuss enthemmt gewesen und auch geständig sei.

Gefährliche Körperverletzung


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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