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Flüchtlingssituation in Holzwickede: Viel Lob und herbe Kritik an Verantwortlichen im Rathaus

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Die Situation der zurzeit 83 Flüchtlinge und Asylbewerber in Holzwickede war am Montagabend (9.2.) Thema im Ausschuss für Jugend, Familie, Senioren, und Gleichstellung. (Foto: Initiative Echte Soziale Marktwirtschaft (IESM)_pixelio.de)

Im Ausschuss für Jugend, Familie, Senioren und Gleichstellung ging es am Montagabend (9.2.) um die Situation der Flüchtlinge in der Gemeinde. Und das Interesse der Holzwickeder Bürger war groß. Vor der Sitzung hatte das erste Cafe der Begegnungen des Unterstützerkreises „Willkommen in Holzwickede“ im Alois-Gemmeke-Haus stattgefunden. Und viele Helfer des Unterstützerkreises, aus dem Koordinationskreis, aus dem Seniorenbeirat, von Rat und Tat, der Villa Pfiffikus und weitere Ehrenamtliche waren ins Rathaus gekommen, um in der Sitzung zu berichten und sich selbst zu informieren.

Die Berichte und die Diskussion im Ausschuss waren durchaus widersprüchlich: Auf der einen Seite kann das große Engagement und die Hilfsbereitschaft der Holzwickeder, auch in der Verwaltung und Politik, nur Staunen machen. Auf der anderen Seite muss die deutliche Kritik daran beschämen, wie mit den Flüchtlingen in Holzwickede umgegangen wird und wie insbesondere die Spitzen der Verwaltung und Politik in Holzwickede nach Ansicht vieler Bürger total versagt haben.

Zu Beginn der Sitzung, an der Bürgermeister Jenz Rother und der 1. Beigeordnete, Uwe Detlefsen, wegen Krankheit nicht teilnehmen konnten, gab der zuständige Fachbereichsleiter Matthias Aufermann einen kurzen Bericht zur Flüchtlingssituation.

Die Entwicklung in nackten Zahlen

Danach gab es im Jahr 2013 nur 20 Personen (Flüchtlinge und Asylbewerber) in der Emschergemeinde. Für diese Personen musste die Gemeinde rund 160.000 Euro aufwenden, 70.000 Euro gab es vom Land NRW als Zuschuss. Für die Flüchtlingsunterkünfte an der Massener Straße waren ein Sachbearbeiter, Hausmeister und eine Betreuungskraft zuständig.

Im Jahr 2014 waren 44 Personen in Holzwickede untergebracht. Die Aufwendungen der Gemeinde für diesen Personenkreis stiegen auf rund 300.000 Euro, mit 103.000 Euro beteiligte sich das Land NRW. Der Hausmeister und die Betreuungskraft sind 2014 in Rente gegangen und wurden nicht ersetzt.

Außerdem wurde in Absprache mit der Bezirksregierung in Arnsberg das Erdgeschoss im Haus 69 an der Massener Straße umgewidmet und die U-3-Betreuung des HEV¬Kindergartens darin untergebracht.

In den beiden Unhterkünften an der Massener Straße 69 und 71 sind aktuell 76 Menschen aus 17 Nationen widrigstren Umstänmden  untergebracht. (Foto: Peter Gräber)
Die Gruppe Rat und Tat hat die Mängel in den beiden Unterkünften an der Massener Straße dokumentiert. und der Gemeinde mitgeteilt  (Foto: Peter Gräber)

Anfang 2015 befinden sich aktuell 83 Flüchtlinge und Asylbewerber aus 22 Nationen in Holzwickede, davon 76 Personen in den beiden Unterkünften an der Massener Straße. Eine sechsköpfige Familie, die im Januar neu zugewiesen wurde, konnte im ehemaligen Stehfenhaus an der Nordstraße untergebracht werden. Für die Häuser an der Massener Straße ist ein Sachbearbeiter sowie Hausmeister zuständig, der aber auch noch drei weitere Objekte betreuen muss. Geschätzte finanzielle Aufwendung der Gemeinde für die 83 Personen: rund 500.000 Euro, erwarteter Zuschuss vom Land NRW rund 250.000 Euro.

Nicht alle der 83 Personen kommen aus Bürgerkriegsländern, müssen aber dennoch untergebracht werden. Erst heute hat die Bezirksregierung die Gemeinde Holzwickede informiert, dass die Aufnahmequote wieder ein Minus von sechs Personen aufweist. Mit anderen Worten: Täglich können wieder bis zu sechs Personen eintreffen, die in Holzwickede untergebracht werden müssen.

Alle Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge

Angedacht als mögliche Flüchtlingsunterkünfte sind

  • das Haus Bahnhofstraße 23, das derzeit noch vom Sozialkaufhaus kaufnett genutzt wird. Hier könnten 15 bis 25 Personen untergebracht werden.
  • Das Haus Unnaer Straße 35 (Eigentum der ev. Kirchengemeinde). Die Eignung muss noch geprüft werden.
  • sogenannte Modulbauten (Wohncontainer), die angemietet oder gekauft werden. Hier liegt ein erstes eingeholtes Angebot, so Matthias Aufermann, bei rund 600.000 Euro.
  • Die Anmietung von Privateigentum.

Anschließend berichtete Roswitha Göbel-Wiemers über die Arbeit des Unterstützerkreises, der sich im Dezember 2014 zusammengefunden hat und sich seitdem sehr engagiert und auch erfolgreich um die Belange der Flüchtlinge in Holzwickede kümmert. So habe man inzwischen aus diesem Kreis vier Sprachkurse organisieren können und weitere Angebote wie Sportkurse seien in Vorbereitung, auch an der Verbesserung der räumlichen Probleme werde gearbeitet. Allerdings sei über die gesundheitlichen Probleme der Menschen fast nichts bekannt, so Roswitha Göbel-Wiemers: „Wir wissen auch nichts über die seelischen Nöte der Menschen, ihre Fluchtgeschichten oder ihre traumatischen  Erlebnisse an den Grenzen der EU. Die Biografie der Menschen ist uns gänzlich unbekannt.“  Es gebe keinen einzigen Raum für private Gespräche oder eine Rückzugsmöglichkeit. Dringend benötigt werden auch Paten für die Flüchtlinge, eine Begleitung bei Behördengängen, juristische Betreuung und ein Übersetzerpool.

Dass sich insbesondere Bürgermeister Jenz Rother bis heute nicht einmal in dieser Sache zu Wort gemeldet hat, ist beschämend.“

Roswitha Göbel-Wiemers, Sprecherin des Unterstützerkreises

Bei allem guten Willen der Verwaltung und Politik, kritisierte Roswitha Göbel-Wiemers doch, dass die ehrenamtlichen Helfer aus dem kirchlichen Raum auf die Gemeinde zugehen mussten, um den Flüchtlingen zu helfen. „Die Politik und auch die Verwaltungsspitze hätten von sich aus reagieren müssen, doch das haben sie nicht getan“, so Göbel-Wiemers im Ausschuss weiter.  Das Problem der wachsenden Flüchtlingszahlen sei ja absehbar gewesen und eine vorausschauende Politik hätte das erkennen müssen.  „Dass sich insbesondere Bürgermeister Jenz Rother bis heute nicht in dieser Sache zu Wort gemeldet hat, ist beschämend“, so die Sprecherin des Unterstützerkreises weiter. „Es geht uns nicht um Streicheleinheiten. Aber etwas mehr Gespür und soziales Engagement hätte unserer Gemeinde gut getan.“

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Nach Darstellung des Ausländerbeauftragten Ulrich Bangert erfüllt die Gemeinde Holzwickede ihre Pflichtaufgaben gegenüber den Flüchtlingen. (Foto: S. Hofschlaeger_pixelio.de)

Der Ausländerbeauftragte der Gemeinde, Ulrich Bangert, machte im Ausschuss noch einmal deutlich, wie wichtig die Arbeit des Unterstützerkreises ist. Allerdings wollte er auch die Kritik an Situation der Flüchtlinge in der Gemeinde relativieren. „Die Gemeinde Holzwickede erfüllt ihre Pflichtaufgaben“, stellte er bei aller Kritik klar. Jedem Flüchtling stünden gesetzlich vier Quadratmeter Fläche bei der Unterbringung zu. „Die Gemeinde tut hier mehr als erforderlich.“  In Dortmund-Eving und anderen Kommunen sei die Situation der Flüchtlinge noch deutlich schlechter.

Für die Verwaltung wies Kämmerer Rudi Grümme darauf hin, dass die Flüchtlingsproblematik „eine Riesenaufgabe“ sei, die die Kommunen gar nicht alleine stemmen können. Bund und Land entledigten sich hier auch Aufgaben zu Lasten der Kommunen. „Darum sind wir hier dringend auf die ehrenamtliche Hilfe angewiesen.“ Die psycho-soziale Betreuung der Flüchtlinge könne aber weder von Ehrenamtlichen noch von der Gemeinde geleistet werden. „Wir müssen uns zunächst ganz auf unsere gesetzlichen Pflichtaufgaben konzentrieren“, betonte auch Matthias Aufermann.

Helferkreis braucht Unterstützung

Der Helferkreis „Willkommen in Holzwickede“ braucht weitere Unterstützung für die Sozialarbeit und Verbesserung der  zwischenmenschlichen Beziehungen in den Wohnunterkünften. Es werden auch Patenschaften für die Unterstützung von Einzelpersonen gesucht, einfache Gesprächspartner, Helfer für Ämterangelegenheiten oder ganz allgemein soziale Kontakte für die Flüchtlinge.

Flüchtlinge


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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